Sei eine Null – Du musst zu Beginn nichts beweisen

Hörst du auch oft das Klicken im Kopf vieler Kollegen, wenn sie in eine neue Situation kommen? (oder das in deinem eigenen Kopf)

Entweder geht der Schalter auf “Flucht” und der Betroffene nimmt sich im besten Fall mit glasigen Augen selbst aus dem Spiel und stellt sich in die Ecke.

Schlimmer ist es, wenn er einfach Aufgaben annimmt, die über dem liegen, was er in dieser Situation gerade leisten kann.

Oder der Schalter geht auf “Angriff” und derjenige versucht sofort der Situation seinen Stempel aufzudrücken. Die Stimme wird laut, Entscheidungen werden getroffen, Widerrede zwecklos.

Oft macht das die Lage allerdings gar nicht besser.

In beiden Fällen hat es die Situation bzw. das Team schlechter gemacht, als die neue Person hinzu kam.

Chris Hadfield nennt das “Minus eins” oder auch -1. Also jemand der eher neue Probleme schafft, als bei der Bewältigung alter Probleme zu helfen.

Hadfield ist ein kanadischer Astronaut und ehemaliger Kommandant der ISS, der dir vielleicht schon einmal durch sein virales Gitarren-Video untergekommen ist.

In seinem Buch “Anleitung zur Schwerelosigkeit” verwebt er seinen Werdegang zum Astronauten mit genauen Beschreibungen der Trainingsphilosophie, die bei der NASA herrscht. Er wirbt dafür, dass sich viele dieser Prinzipien auch in anderen Kontexten bewähren könnten.

No time for bad business

Grundsätzlich geht es in der Luft- und Raumfahrt am Ende immer um Geld. Denn wenn Maschine oder Mensch nicht funktionieren, kommt es zu teuren Verlusten.

Ein Passagierflugzeug fängt bei ca. 70 Millionen Euro an und der Start eines Space Shuttles kostete ungefähr 400 Millionen Euro. Die Pilotenausbildung ist mit 60.000 Euro noch billig, während ein Astronaut bis er einsatzfähig ist, bis zu 18 Millionen Euro kosten kann.

Außerdem sieht es natürlich nicht gut aus, wenn Flugzeuge oder Raumschiffe abstürzen, schlecht fürs Business sozusagen.

Da die Fehler in diesem Bereich offenkundig und katastrophal sind, hat sich schon vor langem eine andere Fehlerkultur entwickelt, die den “Neuen” schon zu Beginn ihres Trainings eingetrichtert wird.

Jeder (Fast-)Absturz wurde detailliert ausgewertet und alles daran gesetzt, dass der zugrunde liegende Fehler kein zweites Mal vorkommen wird.

Es gilt also gerade nicht das in der Medizin beliebte Prinzip “See one, do one, teach one”.

Fehler im medizinischen Bereich sind dagegen oft nicht eindeutig einem schlechten Ergebnis für den Patienten zuzuordnen.

Es bestand daher lange kaum Interesse an einer offenen Fehlerkultur, Hauptsache die Dokumentation stimmt.

Gerade in der Medizin ist es daher oft sehr schwierig, in eine neue Situation zu kommen und nicht das Gefühl zu haben, sich sofort beweisen zu müssen.

“Kannst du das machen?” “Ja, klar, kann ich!” Unwissen sähe schlecht aus, gerade wenn man neu ist.

Oder auch wenn man schon lange dabei ist. Gerade dann!

Fehler sind vorprogrammiert, ein schlechtes Gefühl auch.

Hadfield geht davon aus, dass man in einer neuen Situation einer von drei Kategorien zugeordnet wird.

Plus eins, Null oder Minus eins. (Hey, wir sind natürlich alle eine Plus eins, keine Frage!)

Plus eins

Am liebsten möchte man ja eine “Plus eins” bzw. +1 sein, also jemand der durch sein Handeln in jeder Situation ein Gewinn ist.

Leider führt das oft dazu, dass man übermotiviert und überhastet auftritt und dadurch das Gegenteil erreicht, eine -1 ist.

Eine neue Situation, oft auch ein neues Team, das sind nicht die optimalen Voraussetzungen für tolle Leistungen.

Die besten Teams kennen sich schon lange, haben viel zusammen trainiert und gearbeitet.

Das gilt für die Medizin genauso wie für den Sport oder andere Bereiche.

Null

Hadfield empfiehlt nun also, dass man ganz gezielt eine Null sein soll.

Du kommst in eine neue Situation und machst sie nicht sofort besser.

Du versuchst es nicht einmal!

Du machst sie aber auch nicht schlechter.

Für mich bedeutet das im medizinischen Kontext vor allem folgendes:

In einer neuen Umgebung erst einmal freundlich zurückhalten. Nach Namen fragen und sich vorstellen. Stillschweigend anpacken und helfen, wenn ich mir sicher bin, dass ich etwas kann. Ansonsten Fragen stellen, mir Dinge zeigen lassen. Den normalen Ablauf nicht ausbremsen und erstmal mitschwimmen. Nachlesen, Visualisieren, sich Vorbereiten.

Mir fällt das oft genug immer noch schwer! Ich will ja schließlich zeigen, dass es sich gelohnt hat, mich zu holen.

Aber damit fällt man auch öfter auf die Nase und sorgt für Irritationen beim Team. Oder schadet im schlimmsten Fall einem Patienten.

Ich will immer +1 sein, werde aber zu -1.

Der Weg der Null hat sich als nachhaltiger herausgestellt.

Die Gelegenheit etwas Tolles zu leisten wird sowieso kommen, sie kommt immer!

Und wenn ich diesen Moment nicht ab der ersten Minute erzwingen will, dann lebe ich entspannter und bin bereit, wenn es wirklich zählt.

Verpasse keinen Artikel und erhalte mein Ebook
"Einfach Besser Delegieren"!