Arztbriefe schreiben ist wie Buletten herstellen. Du brauchst ein bewährtes Rezept, ein paar gute Zutaten und etwas Zeit zum Durchmischen. Am Ende sollte ein Ergebnis stehen, was immer ähnlich aussieht und hohe Qualität hat. (Das gilt natürlich auch für Veggie-Buletten!)
Was bringt mir das?
Das Schreiben von Arztbriefen ist eine immer wiederkehrende Aufgabe, die zudem recht viel Zeit beansprucht. Du wirst in deinem Leben abertausende Arztbriefe schreiben, also lern es so, dass sie gut sind und es auch etwas Spaß macht.
Es lohnt sich also für dich, hier gut und schnell zu werden. Jede gesparte Minute addiert sich über das Jahr zu vielen Stunden.
Schlecht geschriebene Arztbriefe wirst du mehrmals korrigieren müssen oder du musst dich sogar mit einem genervten Niedergelassenen auseinandersetzen, der noch Fragen hat.
Wenn du keinen Plan dafür hast, wann und wie du schreibst, wirst du ständig unter Druck schreiben müssen. Das raubt Energie, kostet Zeit und sorgt für schlechte Laune! (Lies hier Grundlagen des Zeitmanagement für Ärzte)
Ohne Druck zu Schreiben baut Schwung auf
Arztbriefe schreiben ist eine wichtige aber nicht dringliche Aufgabe und sollte daher zu festen Zeiten eingeplant werden. Diktiere nachmittags noch ein paar Briefe vor, das kannst du auch müde noch gut machen. Der Feinschliff erfolgt dann ausgeruht!
Es lohnt sich, auch wenn es nur ein Grundgerüst ist, denn dann arbeitet erstmal jemand anders für dich weiter!
Entscheidend ist, dass kein Druck aufkommt, die Aufgabe also nicht plötzlich wichtig und dringlich wird, kurz vor der Entlassung!
Wenn du mit der Einteilung in wichtig und unwichtig, dringlich und nicht dringlich nichts anfangen kannst, dann lies meinen Artikel über die Eisenhower-Methode für Ärzte. Dort erfährst du, wie du deine Aufgaben sinnvoll einteilen kannst und in welcher Reihenfolge du sie dann bearbeiten solltest.
Wichtig beim Arztbriefe schreiben ist komprimierte Information und keine Romanlänge
Ein Arztbrief soll Informationen über den Aufenthalt eines Patienten im Krankenhaus zusammenfassen und komprimiert wiedergeben. Im Gegensatz zur Schule gibt es keine Mindestlänge oder Extrapunkte für lange Texte.
Wer schon mal in einer Hausarztpraxis gearbeitet hat, weiß, wie viele Briefe dort täglich hereinflattern und dass keine Zeit ist, alle komplett zu lesen.
Manchmal höre ich von Kollegen, dass sie wichtige Informationen im Fließtext verstecken. Der soll ja auch gelesen werden, wenn schon so viel Arbeit in den Brief gesteckt wurde. Das ist absolut respektlos gegenüber allen Lesern und deren Zeit!
Steck einfach nicht so viel Arbeit in den Fließtext, dann ärgert es dich auch nicht, wenn er nicht gelesen wird. Die Fakten müssen stimmen und es muss eine logische Abfolge in Diagnostik und Therapie erkennbar sein. Das war's!
Ehrgeiz solltest du entwickeln, die Diagnosen und das Procedere perfekt darzustellen.
Diese werden fast immer gelesen und sollten glasklar sein!
Im Ärzteblatt gab es vor Jahrzehnten mal eine (Nicht-)Anleitung zum Schreiben von Arztbriefen, die häufig gemachte Fehler ironisch aufgreift. Also, kurz lesen und schmunzeln, hier lernst du dann, wie du es richtig machst.
Starte stark: Diagnosen glasklar
Viele der entscheidenden Informationen bekommst du nur aus Altbriefen, die du besorgen lassen musst. Außerdem kostet die Aufbereitung Zeit, die du durch schlichtes Kopieren sparen könntest.
Warum also der Aufwand, wenn er nur anderen dient?
Der Aufwand hilft dir auch! Je früher du den Brief beginnst und die Diagnosenliste vervollständigst, desto besser verstehst du den Patienten und seine Baustellen. Hier besteht auch die perfekte Möglichkeit über etwas seltenere Diagnosen etwas nachzulesen und dein Wissen in der Breite zu erweitern.
Du schwimmst nicht im Trüben, sondern kannst dich auf die wesentlichen neuen Probleme konzentrieren.
Außerdem kommen viele Patienten mit chronischen Erkrankungen immer wieder, sodass du beim nächsten Mal viel Zeit beim Hineindenken sparst.
Abgesehen davon bekommst du die Briefe seltener zur Korrektur zurück, da die meisten Oberärzte (zurecht) gerne an schlechten Diagnoselisten herumdoktern.
In die Diagnosenliste viele Informationen packen
Die Diagnosen dürfen gerne nummeriert sein und Details wie Daten und Kurzbefunde enthalten. Eine Sortierung nach Organsystem gibt Struktur und vereinfacht das Lesen.
Außerdem sollte jede Diagnose auf Aktualität überprüft und ggf. angepasst oder gelöscht werden. Aus dem „akuten Harnwegsinfekt“ darf irgendwann auch der „Zustand nach“ werden, am besten mit Datum.
Irgendwann landet diese Diagnose sonst nach mehrmaliger unüberlegter Kopie bei einem Kollegen, für den es immens wichtig ist, zu wissen, ob der Infekt gerade ausgeheilt ist oder schon lange her.
Beispiel für eine schlechte Diagnosenliste:
KHK, Z.n. STEMI, 2 Stents 2013
Diabetes Mellitus
Hypertonus
Harnwegsinfekte
Herzinsuffizienz
Z.n. Mamma-Ca
Stell dir vor, diese Patientin kommt Anfang Februar 2018 mit Luftnot und Oberbauchschmerzen in die Notaufnahme und kann vielleicht ihre Krankengeschichte nicht so gut darlegen.
Du denkst vielleicht an die Möglichkeit eines Herzinfarktes, eine dekompensierte Herzinsuffizienz, einen Harnwegsinfekt mit Sepsis oder diverse andere Möglichkeiten.
Wie ändert sich das, wenn man einen aussagekräftigen Vorbrief vorliegen hat?
Beispiel für eine Liste, mit der ein Leser etwas anfangen kann:
1. 2-Gefäß-KHK
- Z.n. STEMI 9/13 (PCI/DES der LAD und RCX, aktuell: Coro 1/18: keine relevanten Stenosen)
2. Chronische Herzinsuffizienz bei ischämischer Kardiomyopathie
- 5/17: EF 45%, mittelgradige Aortenstenose
3. Arterielle Hypertonie
4. Diabetes Mellitus Typ 2, insulinpflichtig (ED 2003)
5. Z.n. diversen Harnwegsinfekten mit Urosepis durch E. coli 2015/2016 (Unacid/Tazobac/Meropenem)
6. Mamma-Ca mit Ablatio rechts und Radiochemotherapie (ED 1995)
Wenn du es schaffst, früh im Aufenthalt eine solche Diagnosenliste zu verfassen, dann hast du den Patienten verstanden.
Sollte eine Kollegin deine Station zeitweise übernehmen, wird sie es dir danken, in die meisten Patienten direkt geistig einsteigen zu können.
Fließtext, kurz und knapp
Der Fließtext soll kein literarisches Meisterwerk sein. Hier muss die zeitliche Abfolge des Aufenthalts mit Diagnostik und Therapie enthalten sein, ohne schmückendes Beiwerk.
Finde gute, kurze Redewendungen und Übergänge und verwende sie immer wieder.
Denk Wikipedia, nicht Stephen King! [note]Auf kurze Fließtexte wurde im Ärzteblatt schon hingewiesen und viele andere Ansichten decken sich mit meinen. Der Artikel ist mir bei der Recherche für diesen Beitrag aufgefallen und sehr lesenswert. Dort kannst du eine Checkliste für Arztbriefe finden, sowie weiterführende Literatur.[/note]
Je nach Vorlage deines Hauses werden Anamnese und Epikrise getrennt aufgeführt oder in einem Text abgearbeitet.
Zu Beginn sollten die Beschwerden, die zur Aufnahme führen stehen, sowie eine Zusammenfassung der anfangs erhobenen Befunde. Hier gehören hauptsächlich pathologische Befunde hinein und nicht ein ausführlicher Normalbefund!
Beispiel: „Der Patient stellte sich in unserer Notaufnahme mit zunehmender Luftnot vor, er habe seit Tagen im Sitzen geschlafen. In der körperlichen Untersuchung sah man das Bild einer dekompensierten Herzinsuffizienz, im Labor stark erhöhtes nt-proBNP. Wir gaben initial Furosemid i.v., was schnell zu einer deutlichen Besserung führte.“
Es folgt eine Zusammenfassung der Diagnostik und Therapie:
„Im Echo sah man eine mittelgradig reduzierte EF. Bei unklarer Genese und auffälliger Anamnese (Hypertonus, Fumatorium, Diabetes) erfolgte eine Koronarangiografie mit Nachweis einer KHK ohne relevante Stenosen. Wir begannen eine Herzinsuffizienztherapie mit Ramipril, Metoprolol und Torasemid. Außerdem begannen wir bei KHK mit ASS und Simvastatin.
Der Patient knickte zudem nachts auf dem Weg zur Toilette um, die Kollegen der Unfallchirurgie diagnostizierten eine Bänderzerrung ohne Fraktur. Wir therapierten symptomatisch mit Novalgin.“
Kurz den Verlauf erwähnen:
„Im Verlauf deutliche Besserung der Symptomatik, sodass wir den Patienten heute in Ihre ambulante Betreuung entlassen können.“
Ein effektives Ende: Procedere als To-do-Liste für den Nachbehandler
Mach es dem Leser einfach und liefere ihm eine fertige To-do-Liste.
Keiner will den Fließtext durchsuchen müssen und sich dann noch selbst überlegen, was zu tun ist.
Beispiel:
Wir empfehlen:
- Kaliumkontrolle innerhalb von 3 Tagen
- Bei ausbleibender Besserung der Schmerzen am Fuß rechts ambulante orthopädische Vorstellung
- Blutbildkontrolle in 6 Wochen nach Novalgintherapie
- bitte Einweisung in 3 Monaten zum Kontroll-Echo (Pat. soll sich unter Tel. 0800/1234 einen Termin geben lassen)
So geht man sicher, dass das, was noch zu tun ist, auch umgesetzt wird. Ein Nebeneffekt ist, dass man selbst versteht, was in der Nachbehandlung überhaupt wichtig ist.
Medikamentenliste
Mach jede Änderung für den Leser kenntlich. Nimm ihm Rechenarbeit ab, indem du Enddaten angibst, statt Zeitspannen. Bei festen Daten besteht weniger Gefahr, dass Medikamente zu lange gegeben werden.
Beispiel:
Unacid PD oral 375 mg | 2 - 0 - 2 | bis zum 3.2.18 | (nicht "für 7 Tage") |
Clopidogrel 75 mg | 1 - 0 -0 | bis zum 26.1.19 | (nicht "für 1 Jahr") |
Torasemid 20 mg | 1 - 0 - 0 | (erhöht) | (die Information ist wichtig für den Weiterbehandler) |
Spironolacton | abgesetzt | Cell | Cell |
Das Drumherum
Adressaten, Patientendaten einschließlich Aufenthaltszeit/-ort sowie Befunde in Langform müssen natürlich auch in den Brief. Vieles sollte automatisch durch das System befüllt werden oder im Diktat leicht zu erwähnen sein.
Es lässt sich darüber streiten, in welcher Länge der körperliche Untersuchungsbefund Eingang zu finden hat. Orientiere dich am Minimum, was von dir gefordert wird. D. h. wenn du keinen langen Normalbefund schreiben musst, dann tu es auch nicht!
Arztbriefe schreiben – selbst tippen oder diktieren?
Das Diktieren gewinnt fast jeden Vergleich! Wer nicht 10-Finger-Schreiben blind beherrscht, tippt ca. 50 Wörter pro Minute oder weniger. Wer langsam diktiert, kommt auf ca. 150 Wörter pro Minute.
Die Korrektur von Tippfehlern bei komplizierten Fachbegriffen geht, wenn du selbst tippst, auf dein Zeitkonto, beim Diktieren auf das eines anderen! Es ist die perfekte Delegation, da der andere nicht ablehnen kann. Nutze das! (Wenn du noch mehr über Delegation lernen willst, dann abonniere meinen kostenlosen Newsletter. Er startet gleich mit einer siebenteiligen E-Mail-Serie für besseres Delegieren.)
Du solltest beim Diktieren nicht versuchen ein perfektes Werk abzuliefern, Korrekturen gehen später per Hand schnell. Das Ziel ist es einen möglichst großen Teil in möglichst wenig Zeit zu Papier zu bringen (auch hier ist das Pareto-Prinzip am Werk, 80 % des Arztbriefes kosten 20 % der Zeit).
Dafür kannst du auch ein paar Fehler in Kauf nehmen und solltest nicht während des Diktierens herumspulen, Passagen löschen oder einfügen. Eine kurze Info an den Schreibenden reicht. („Bitte noch Folgendes zu den Diagnosen hinzufügen: …“)
Die reine Aufnahmezeit beträgt meist 2 bis 5 Minuten, zum Diktieren braucht man dafür ungefähr die doppelte Zeit (je nach Übung). Korrektur und letzter Schliff kosten 5 bis 15 Minuten.
In Summe landest du bei 10 bis 25 Minuten, wer das per Hand schlägt, sollte lieber tippen!
Wer diktiert, muss automatisch Vorausplanen
Der einzige Nachteil des Diktierens: Du musst deine Arbeitskraft im Voraus verplanen, spätestens am Vortag der Entlassung oder besser noch früher, damit der Brief fertig ist, wenn er gebraucht wird.
Solltest du immer von Entlassungen überrascht werden, musst du zeitaufwändig selbst tippen und läufst dem Tagesgeschehen hinterher. Wenn du für fast alle Patienten die Briefe stets zu 80 % fertig und aktuell hast, können dich auch ungeplante, frühe Entlassungen nicht aus der Ruhe bringen!
Wenn du weitere Möglichkeiten suchst, an denen du schnell Zeit herausholen kannst, dann schau doch mal in meinen Artikel über "7 häufige Zeitfresser".